Gedenktafel am Adenauerplatz | ©Werner Stapelfeldt

Städte am Niederrhein

Mönchengladbach

Synagoge Albertusstrasse ©Werner Stapelfeldt

Die heutige Stadt Mönchengladbach ist 1975 durch den Zusammenschluss der Städte Mönchengladbach und Rheydt und der Gemeinde Wickrath entstanden. Im heutigen Stadtgebiet gab es ehemals vier unterschiedliche Synagogengemeinden: Alt-Mönchengladbach, Odenkirchen, Rheydt und Wickrath. Hinzu kommt das jüdische Leben in den Gemeinden Giesenkirchen-Schelsen, Rheindahlen und Wanlo. Daher gibt es auch keine einheitliche (jüdische) Stadtgeschichte.

Die frühere Stadt Gladbach gehörte dem Amt Jülich-Berg an. Das Amt Jülich-Berg war ein rechtsrheinisches Territorium des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Es bestand, in unterschiedlichen Formen vom 11. Jahrhundert bis 1813. Graf Wilhelm IV von Jülich war 1227 einer der ersten mit der Erlaubnis Juden in seinem Land aufzunehmen. Für das Jahr 1294 ist ein jüdischer Mann mit dem Namen Jude Sutkinus, der im Geldverleih tätig war, für die Stadt Gladbach belegt. Für die kommenden Jahrzehnte gibt es keine Quellen über eine mögliche Anwesenheit einer jüdischen Bevölkerung in der Stadt. Erst für das 14. Jahrhundert liegen neue Dokumente vor. Da in diesen von einer „Judengemeinde“ und von den „Juden von Gladbach“ die Rede ist, liegt die Vermutung nahe, dass sich jüdische Familien auch schon zuvor in der Stadt niedergelassen hatten.

Zu dieser Zeit besaß die Stadt Gladbach bereits Stadttore und eine Pforte als Markttor. Eines dieser Tore wurde im Volksmund „Judenpforte“ genannt, da Juden ganz in dessen Nähe lebten. Dieses Wohnviertel lag an der Ostgrenze zu den Stadtmauern. Von der „Judenpforte“ führte die Judenstraße bis hin zum Marktplatz, des heutigen Alten Markts. Diese Bezeichnungen, die aus dem Mittelalter stammen müssen, hielten sich bis ins 19. Jahrhundert in den Überlieferungen. Dieses „Judenviertel“ darf keinenfalls als eine Form der Zwangsansiedlung angesehen werden, da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass es in sich geschlossen war. Stattdessen ist seine unmittelbare Nähe zu den zentralen Mittelpunkten des damaligen Lebens – dem Markt, dem Rathaus und der Abtei – vergleichbar mit anderen rheinischen Städten zu dieser Zeit. Zudem führte die wirtschaftlich wichtige Straße nach Krefeld durch das „Judenviertel“, sodass es eine Durchfahrtstraße für die restliche Stadtbevölkerung war. 

In den Jahren 1347 bis 1349 kam die Pest nach Europa. Es folgten vielerorts Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung, da man ihnen die Schuld an der Pest gab. Es wurde behauptet, Juden sollten das Wasser in Flüssen, Bächen und Brunnen vergiftet haben, obwohl es hierfür keinerlei Hinweise gab. In dieser Zeit verschwindet die Jüdische Gemeinde Gladbach aus den Quellen, Verfolgung und Übergriffe scheinen sie zerstört zu haben. Nähere Angaben, beispielsweise über den Zeitraum und den Verlauf der Verfolgungen in der Stadt, fehlen. Fest steht jedoch, dass das jüdische Leben Gladbachs für rund 250 Jahre zum Erliegen kam.

Bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts sind für die Stadt Gladbach keine Jüdinnen und Juden mehr nachweisbar. Erst als ihnen 1621 erlaubt wurde, sich im Herzogtum Jülich-Berg niederzulassen, begann das jüdische Leben in der Stadt wieder. Die Jüdinnen und Juden, die nun nach Gladbach kamen, gehörten ausnahmslos einer ärmlicheren Bevölkerungsschicht an. Sie waren in ihrer Berufswahl eingeschränkt und mussten einen Judentribut entrichten: eine finanzielle Abgabe, die Jüdinnen und Juden dem Stadtherrn oder Grafen zahlen mussten, vergleichbar zu einem Geleit. Das Geleit sicherte den Juden, gegen eine Zahlung, ihren persönlichen Schutz und dadurch ihre körperliche Unversehrtheit in dem entsprechenden territorialen Gebiet zu. Im Jahr 1621 wurden für Gladbach zwei Geleite vergeben. Einmal für „Jacob Judt zu Gladbach“ und für „Wolff Juddens nachgelassene Witteb“. Da die Zahl der niedergelassenen Jüdinnen und Juden so gering war, genügte die Benennung durch den Vornamen auch bei offiziellen Unterlagen.

Die Zahl der jüdischen Bevölkerung in Gladbach blieb auch in der folgenden Zeit sehr gering. Für das Jahr 1695 sind zwei jüdische Familien belegt, die Familien des Jacob Aaron Jud und des Hirtz Wendels Judt. Bis zu diesem Zeitpunkt wissen wir über die jüdische Bevölkerung Gladbachs lediglich ihre Namen, es gibt keine Informationen über ihre Berufsausübungen oder ihre wirtschaftliche und soziale Lage. Für die Jüdinnen und Juden in Gladbach war das Leben bis in die 1780er Jahre durch einen kontinuierlichen und ruhigen Verlauf geprägt. Über die Jahrzehnte hinweg sind für das Stadtgebiet immer die gleichen Familien belegt. 

Das jüdische Leben der Stadt wurde Mitte der 1780er Jahre lebendiger, so lebten 1788 bereits sieben jüdische Familien in der Stadt. Durch die französische Besetzung im Oktober 1794 änderte sich für die hiesige Jüdinnen und Juden kaum etwas. Vorsteher der jüdischen Gemeinde, die zu diesem Zeitpunkt noch keinen festen Zusammenschluss darstellte, wurde Joseph Caen.

Eine Bevölkerungsliste aus dem Jahre 1799 gibt erstmals die Berufe der Gladbacher Jüdinnen und Juden wieder. Sie arbeiteten als Trödler, Tagelöhner, Metzger oder als Dienstpersonal. Es ist also davon auszugehen, dass ihre soziale Lage bis dahin unverändert blieb und die meisten von ihnen relativ arm waren. Auch 1806 arbeiteten fast alle Juden als Metzger.

Ab 1818 unterstand die jüdische Gemeinde Gladbach dem neu entstandenen Konsistorium in Krefeld. Die örtliche Umgrenzung der jüdischen Gemeinde ist heute nicht ganz zu klären. Sicher ist jedoch, dass sie nicht deckungsgleich mit der Umgrenzung der 1854 gegründeten Synagogengemeine Gladbach war. Joseph Caen wurde am 18. August 1809 in die Funktion eines Vorstehers der Gemeinde eingesetzt wodruch ihm die Verantwortung für die Möglichkeit zur Durchführung von Gottesdiensten oblag. Er stellte der kleinen jüdischen Gemeinde unentgeltlich einen Betraum in seinem privaten Wohnhaus, dem heutigen Haus Abteiberg 4, zur Verfügung. Joseph Caen übte sein Amt bis in das Jahr 1839 aus und verstarb 80-jährig im Januar 1845. Sein Sohn stellte der Gemeinde den Betraum bis zu seinem Wegzug aus Gladbach um 1850 weiterhin zur Verfügung, daran anschlißend mietete die jüdische Gemeinde einen Raum in der ehemaligen Abtei. Joseph Caen muss bereits 1809 als einer der wohlhabenderen und angeseheneren Juden der Stadt bekannt gewesen sein.

Die folgenden Jahrzehnte brachten für die jüdische Bevölkerung kaum Veränderungen, so arbeiteten auch 1825 von 13 steuerpflichtigen Juden fast alle als Metzger. Dieser Zustand änderte sich auch bis 1847 nicht, als das preußische Gesetz vom 23. Juli die weitestgehende Gleichstellung zur restlichen Bevölkerung versprach. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnet Gladbach 15 jüdische Familien mit insgesamt 90 Personen, die fast alle miteinander verwandt waren und größtenteils in ärmlichen Verhältnissen lebten. Lediglich der aus Dülken stammende Meyer Harff, der im Geldgeschäft tätig war, hatte es zu leichtem Wohlstand gebracht. Von den übrigen 14 berufstätigen Juden arbeiteten zwölf als Metzger und jeweils einer als Vieh- und Kleinhändler.

Aus Platzmangel legte die jüdische Gemeinde 1841 einen neuen Friedhof an der Hügelstraße an, der den älteren jüdischen Friedhof, der ganz in der Nähe des neuen Friedhofes auf dem ehemaligen Grünen Weg, später Laurenziusstraße lag, ersetzte. Der ältere Friedhof bestand möglicherweise seit dem 14. Jahrhundert, der exakte Zeitpunkt lässt sich heute nicht mehr bestimmen. Auf Druck durch die Nationalsozialisten musste das Gelände des alten Begräbnisplatzes 1940 verkauft werden und wurde in das Gelände der damals nicht-jüdischen Firma Schlafhorst, die Textilmaschinen produzierte, integriert.

Ab dem Jahr 1882 ließ die jüdische Gemeinde an der ehemaligen Karlstraße, der heutigen Blücherstraße, eine von dem Architekten Carl Branzke entworfene repräsentative Synagoge im maurischen Stil nach Vorbild der Berliner Synagoge erbauen. Die feierliche Einweihung wurde unter Anwesenheit von Vertretern der Stadt und derer anderer Konfessionen im September 1883 begangen. Die Synagoge war in Betrieb, bis sie während der Novemberpogrome 1938 in Brand gesetzt und vollständig zerstört wurde. Heute erinnert vor Ort ein 1974 aufgestellter Gedenkstein des Bildhauers Ulrich Rückriem an die Synagoge.

Gedenktafel (momentan Adenauerplatz)
©Werner Stapelfeldt
Gedenktafel (momentan Adenauerplatz)
©Werner Stapelfeldt

Auch im ausgehenden 19. und im beginnenden 20. Jahrhundert arbeiteten die meisten Gladbacher Jüdinnen und Juden im Metzgergewerbe, dem Vieh- und Kleinwarenhandel. Dennoch waren jüdische Unternehmen wesentlich am Aufschwung Gladbachs zum „rheinischen Manchester“ beteiligt, denn in der Textilbranche gab es mehr als 40 Unternehmen, die sich im Besitz jüdischer Familien befanden.

Die Anzahl der jüdischen Bevölkerung hatte 1925 in Gladbach mit 1.427 Personen ihren Höchststand erreicht. In den folgenden Jahrzehnten sank die Zahl kontinuierlich. Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft lebten noch etwa 1.200 Jüdinnen und Juden in der Stadt. Im Oktober 1941 begannen die Deportationen der in Gladbach verbliebenden Jüdinnen und Juden. Von insgesamt 638 Deportierten überlebten nur 27 Personen den Holocaust/ die Shoah.

Bereits im Sommer 1945 begann der Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde Gladbachs. Treibende Kraft hierbei war Kurt Hecht, der nach seiner KZ-Haft in Mechelen zurück in seine Heimat kam und langjähriger Vorsitzender der Gemeinde wurde.

Zur jüdischen Gemeinde Mönchengladbach gehören heute zudem die Kreise Viersen, Erkelenz, Heinsberg und Grevenbroich. Bis zum Ende der 1960er Jahre war die Gemeinde auf 120 Personen angewachsen. Durch den Zuzug vieler Jüdinnen und Juden aus den ehemaligen sowjetischen Gebieten in den 1990er Jahren wuchs die Gemeinde weiterhin an. 

1967 wurde ein neues Gemeindehaus mit Synagoge in unmittelbarer Nähe der zerstörten Synagoge an der Albertusstraße 54 eröffnet und eingeweiht. Der Architekt war Helmut Goldschmidt. Durch die anwachsende Gemeinde wurde das jüdische Gemeindezentrum bereits zu klein und innerhalb der Gemeinde entwickelte sich der Wunsch nach neuen Räumlichkeiten. Das Gemeindezentrum wurde zuletzt 2021 aufwendig saniert. Die feierliche (Neu-)Einweihung fand unter Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste im September 2021 statt.

Bibliothek in der Synagoge Albertusstraße ©Werner Stapelfeldt
Synagoge Albertusstrasse ©Werner Stapelfeldt
Synagoge Albertusstrasse ©Werner Stapelfeldt
Synagoge Albertusstrasse ©Werner Stapelfeldt
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