Mönchengladbach

Giesenkirchen-Schelsen

Die regionale Geschichte des Ortsteiles Giesenkirchen-Schelsen weist einige Besonderheiten für ihre früheren jüdischen Bürgerinnen und Bürger auf. Bis in das Jahr 1929 war Giesenkirchen gemeinsam mit Schelsen selbstständig. Seit 1798 war dieser Gemeindeverbund zur „Bürgermeisterei Schelsen“ vereinigt – dies hatte eine Zeit der territorialen Zerrissenheit beendet. Zuvor war Schelsen in „Dycker Schelsen“ und „Horster Schelsen“ unterteilt. Daneben bestand der „Dingstuhl Giesenkirchen“, der dem heutigen Ortskern Giesenkirchen entsprach.

Diese territoriale Zerrissenheit erschwert Aussagen über das jüdische Leben in der Gemeinde vor der französischen Besatzung 1794. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich Juden und Jüdinnen schon im 16. Jahrhundert in Giesenkirchen und den umliegenden Ortschaften aufhielten. Dies lässt sich jedoch erst ab dem 18. Jahrhundert mit lückenhaften Quellen belegen.

In Dycker Schelsen ist das erste Judengeleit für das Jahr 1737, an Isaak Aaron, nachweisbar. Das Geleit sicherte den Juden, gegen eine Zahlung, ihren persönlichen Schutz und dadurch ihre körperliche Unversehrtheit in dem entsprechenden territorialen Gebiet zu. Das nächste folgende Judengeleit erhielt am 15. November 1766 Nathan Isaac, der zu diesem Zeitpunkt der einzige Jude in der Ortschaft war. Auch noch 1801 lebte seine Familie als einzige jüdische Familie in Dycker Schelsen. Es ist anzunehmen, dass Isaak Aaron der Vater von Nathan Isaac war. 

Für Horster Schelsen ist als erster Jude ein Joseph Isaac nachweisbar, der 1742/1743 eine Auseinandersetzung mit David Aaron Cohen aus Düsseldorf hatte. Für 1746 wird Salomon Jacob in Horster Schelsen erwähnt, der hier von einem Christian Beckers in einen Prozess verwickelt wurde. 

Für das Dorf Giesenkirchen lassen sich Judengeleite für die Jahre 1744 und 1763 für Jacob Mendel und Hirsch Jacob Levi nachweisen. Beide Geleite bestanden auch noch im Jahr 1764. 

Durch die französische Besetzung im Oktober 1794 änderten sich die Verhältnisse der jüdischen Bevölkerung in Giesenkirchen und Schelsen kaum. Die ersten „Aufstellungen über Juden“ stammen aus dem Jahr 1799 und 1801, hier wurde jeweils noch zwischen den beiden Ortschaften unterschieden. 

1801 gab es nach dieser Aufstellung im ehemaligen Horster Schelsen neun jüdische Haushalte mit insgesamt 36 Personen, in Dycker Schelsen einen jüdischen Haushalt mit vier Personen und in Giesenkirchen vier jüdische Haushalte mit 19 Personen. Der gesamte Raum Giesenkirchen-Schelsen kam demnach auf 59 Jüdinnen und Juden. Dies ergab bei einer Gesamteinwohnerzahl von 2017 Personen einen jüdischen Bevölkerungsanteil von 2,8 Prozent, was wesentlich über den Vergleichszahlen von Gladbach und Rheydt lag. Dieses Verhältnis sollte sich jedoch im Verlauf des 19. Jahrhunderts grundlegend ändern. 

Die jüdischen Familien in Giesenkirchen-Schelsen lebten allgemein in eher bescheidenen Verhältnissen. So waren im Jahr 1808 drei von sieben Juden mit einem Gewerbepatent als Viehhändler tätig und jeweils einer als Metzger, Getreide- und Kornhändler, Hutmacher und Stunden- und Notenlehrer. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die jüdische Gemeinde nie die finanziellen Mittel für ein eigenes Synagogengebäude besaß. Jedoch ist ab dem Jahr 1843 eine angemietete Betstube im Ortsteil Schelsen, in dem die meisten Jüdinnen und Juden der Ortschaft lebten, überliefert. Eine solche Betstube muss bereits um das Jahr 1800 existiert haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass bereits zu diesem Zeitpunkt immer wieder Vorsänger, Unterrabbiner und Kantoren urkundlich erwähnt sind. 

Ab den 1840er Jahren übernahm der Metzger Mathias Seligmann die Funktion eines Vorstehers der Gemeinde. Er sprach sich auch 1847 gegen die Bildung einer Schelsener Synagogengemeinde aus, mit der Begründung, dass die jüdische Gemeinde zu arm und zu klein sei. Seligmann befürwortete die Einverleibung der jüdischen Gemeinde nach Rheydt. Als es 1854 zur Bildung einer einzigen Kreissynagogengemeinde Gladbach kam, wurde Mathias Seligmann für Giesenkirchen-Schelsen als Vorsteher in die Repräsentantenversammlung gewählt, die aus insgesamt neun Männern bestand.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts minderte sich der jüdische Bevölkerungsanteil in Giesenkirchen-Schelsen zunehmend. Dies zeigte sich besonders deutlich im Jahr 1890, in dem eine große Umorganisation der Synagogengemeinden stattfindet. Gemeinsam mit Rheydt, Odenkirchen und Rheindahlen wurde Giesenkirchen-Schelsen aus dem Gladbacher Synagogenverband ausgegliedert und zu einer selbstständigen Synagogengemeinde: Giesenkirchen-Schelsen wurde somit zu einer Filialgemeinde der jüdischen Gemeinde Rheydt. Für die notwendigen Neuwahlen der Repräsentanten waren nur noch sechs Gemeindemitglieder stimmberechtigt.

Die Eingliederung in die jüdische Gemeinde Rheydt brachte keine Veränderung, da die jüdische Bevölkerung sich durch die räumliche Nähe ohnehin schon an Rheydt orientiert hatte.

1905 lebten in Giesenkirchen-Schelsen insgesamt noch 33 Jüdinnen und Juden. Zehn davon im Ortsteil Giesenkirchen, 23 in Schelsen. Ihr Vorsteher war Hermann Wallach. In den folgenden Jahren sinkt die Zahl der jüdischen Bevölkerung noch weiter. 1913 lebten nur noch 15 Jüdinnen und Juden in der Ortschaft, 1924/1925 sind es nur noch zehn, diese Zahl wird auch für das Jahr 1932 angegeben. 

An das frühere jüdische Leben in Giesenkirchen-Schelsen erinnert heute nur noch der ehemalige jüdische Friedhof am Ende der Konstantinstraße mit dessen erhaltenen Grabsteinen. Jüdinnen und Juden aus Giesenkirchen-Schelsen gehören heute der Synagogengemeinde Mönchengladbach an. 

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