Mönchengladbach

Odenkirchen

Jüdisches Leben in Odenkirchen reicht, wie auch in Gladbach, bis in das 14. Jahrhundert zurück. Für das Jahr 1346 ist ein „meygerus [Meyer] judeus de Odenkirchen“ dokumentiert. Für die darauffolgenden mehr als drei Jahrhunderte fehlen jedoch weitere Indizien auf jüdisches Leben. Einzelnachweise finden sich erst wieder um das beginnenden 18. Jahrhundert. Anders als Gladbach und Rheydt war Odenkirchen zu dieser Zeit kurkölnisches Gebiet.

Die nächste Erwähnung jüdischen Lebens in Odenkirchen stammt aus dem Jahre 1698. Zu dieser Zeit gab es zwei vergeleidete Juden, Salomon und Elias. Das Geleit sicherte den Juden, gegen eine Zahlung, ihren persönlichen Schutz und dadurch ihre körperliche Unversehrtheit in dem entsprechenden territorialen Gebiet zu. Salomon und Elias arbeiteten als Metzger und Geldverleiher und waren auch in den darauffolgenden Jahren in Odenkirchen ansässig.

Die Zahl der jüdischen Bürgerinnen und Bürger stieg im Laufe des 18. Jahrhunderts an. 1794 lebten zehn jüdische Haushalte in der Gemeinde Odenkirchen, wobei die meisten Familien davon schon über einen längeren Zeitraum hier ansässig waren. Im selben Jahr wurde Odenkirchen durch die napoleonische Neuordnung zu einem Kantonalort – vergleichbar mit einer heutigen Kreisstadt – erklärt, wodurch der Gemeinde die Orte Rheydt, Giesenkirchen-Schelsen und Rheindahlen zugeordnet wurden. 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebten 42 Jüdinnen und Juden in Odenkirchen, was in etwa 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte. Sie lebten vom Metzgerhandwerk, dem Vieh-und Pferdehandel oder waren als Trödler tätig und lassen sich allenfalls der gesellschaftlichen Mittelschicht bzw. einer sich herausbildenden jüdischen Arbeiterschicht zuordnen. Lediglich der Familie Isaac Salmon gelang bereits im 19. Jahrhundert der gesellschaftliche und wirtschaftliche Aufschwung. Im Laufe des Jahrhunderts stieg die Zahl der jüdischen Bürgerinnen und Bürger zwar an, überstieg jedoch zu dieser Zeit nie die Anzahl von 90 Personen. 

Unter dem Konsistorium in Krefeld bildete sich um das Jahr 1809 in Odenkirchen eine eigenständige Synagogengemeinde, wodurch diese wenige Jahre später bereits ihre eigene Synagoge besaß. Diese befand sich an der gleichen Stelle, an der fast 100 Jahre später, 1911, die neue Synagoge erbaut wurde, an der heutigen Straße „Zur Burgmühle 24“. Zur gleichen Zeit gab es in Odenkirchen bereits eine jüdische Privatschule. Bemerkenswert ist, dass hier – obwohl es noch keine allgemeine Schulpflicht gab – nicht nur Hebräisch- und Religionsunterricht erteilt wurde, sondern auch Elementarunterricht. 1861 wurde die Schule noch von zwölf Kindern besucht, muss jedoch kurz darauf geschlossen worden sein. Daraufhin besuchten die jüdischen Kinder die katholische, vorzugweise jedoch die evangelische Volksschule. 

Als unter der beginnenden preußischen Herrschaft 1854 die Kreissynagogengemeinde Gladbach gebildet wurde, verlor die jüdische Gemeinde Odenkirchen ihre Selbstständigkeit und wurde zu einer Spezialgemeinde im Kreisverband herabgestuft. Wie alle Spezialgemeinden erhielt auch Odenkirchen einen Kommissarius, dem die Verantwortung für die Gemeinde oblag: Moises Baumgarten. Obwohl die jüdische Gemeinde ihre Synagoge behielt und auch ihre Privatschule noch einige Jahre Bestand hatte, begann für sie ein neuer Zeitabschnitt. Dieser wurde zeitlich durch den beginnenden wirtschaftlichen Aufschwung zu einem Textilgebiet begleitet. 

Diesen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung konnten auch einige jüdische Familien nutzen und schafften den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung zum Unternehmer, dem heutigen Fabrikanten. Dies gelang unter anderem Moises Baumgarten mit seiner 1850 gegründeten Firma „Gebr. M.&Ph. Baumgarten“ oder den Gründern der „mech.[anischen] Weberei Horn & Oberländer“, Josef Horn und Lazarus Oberländer. Jedoch stammten die meisten Juden, denen dieser Aufschwung gelang, gebürtig nicht aus Odenkirchen. Die dort alteingesessenen Familien lebten in der Regel weiterhin vom Metzgerhandwerk oder waren kleinere Kaufleute. 

1911 wurde die alte Synagoge durch einen Neubau ersetzt. Die feierliche Einweihung am 01. September 1911 fand unter Anwesenheit aller Konfessionen und Vertretern der Stadt statt. Die Rheydter Tageszeitung berichtete ausführlich. Zu diesem Zeitpunkt war die jüdische Gemeinde vollständig in das gesellschaftliche Leben der Stadt integriert. Die jüdischen Familien hatten es im Laufe der Jahrzehnte nicht nur zu Hauseigentum in der unmittelbaren Nachbarschaft der Synagoge gebracht, sondern auch in der damaligen Odenkirchener „Prominentenstraße“, der Freiheitsstraße (heute Burgfreiheit). Hier hatten sich jüdische Kaufleute und Fabrikanten – wie ihre christlichen Kollegen – respektable Wohnhäuser errichtet. Der größte Teil der jüdischen Bevölkerung wohnte jedoch gut etabliert im Stadtzentrum. 

1913 ist für Odenkirchen erstmals der Israelitische Frauenverein erwähnt. Aber auch die Zugehörigkeit zu anderen Odenkirchener Vereinen oder die Teilnahme an Veranstaltungen und Haussammlungen für wohltätige Zwecke war den Jüdinnen und Juden ein Anliegen. So waren auch Juden in der 1922 in Gladbach gegründeten Walter-Rathenau-Loge unter den Mitgliedern vertreten.

Die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde erreichte 1924 mit 112 Mitgliedern ihren höchsten dokumentierten Stand. Bis 1932 zählte die Gemeinde bereits nur noch 90 Mitglieder. Dieser Trend setzte sich in den folgenden Jahren fort. Das jüdische Gemeindeleben fand sein Ende während der Novemberpogrome 1938. Aufgrund ihrer Lage wurde die Synagoge zwar nicht in Brand gesteckt, dennoch wurde sie von innen zerstört und unbrauchbar gemacht. Viele der Odenkirchener Jüdinnen und Juden schafften es noch zu emigrieren, die verbliebenen jüdischen Gemeindemitglieder wurden hingegen 1941 und 1942 durch die Nationalsozialisten deportiert. Im Dezember 1942 befand sich kein einziger Jude oder Jüdin mehr in Odenkirchen. 

Heute erinnert kaum noch etwas an die jüdische Geschichte in Odenkirchen. Jüdinnen und Juden aus Odenkirchen gehören inzwischen der jüdischen Gemeinde Mönchengladbach an.

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