ehemalige Papierfabrik Elkan in Viersen | ©Werner Stapelfeld

Jüdisches Leben

Wirtschaft

Die Jüdinnen und Juden, die sich in den vergangenen Jahrhunderten in den Städten Krefeld, Viersen und Mönchengladbach niederließen, waren nicht nur ein fester Bestandteil der Gesellschaft, sondern leisteten auch wirtschaftlich ihren Beitrag in den jeweiligen Städten. Sie gingen ihren Berufen nach und trugen insbesondere in Krefeld und Mönchengladbach wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Textilindustrie bei. Auch in anderen Branchen machten sie sich verdient.

Wird über das wirtschaftliche Leben der deutschen Jüdinnen und Juden in Deutschland gesprochen, so ist vermehrt noch die Rede von „traditionellen“ Berufen, wie beispielsweise das Metzgergewerbe, der Vieh- und Kleinhandel und der Geldverleih. Diese Berufe für die jüdische Bevölkerung als traditionell zu bezeichnen ist verwirrend, da die Jüdinnen und Juden nicht aus freien oder traditionellen Beweggründen in diesen Bereichen arbeiteten. Vielmehr unterlagen sie im Laufe der Geschichte vielen Einschränkungen in ihrer Berufswahl und durften nur gewisse Berufe ausüben. Nach dem Wegfallen dieser Berufseinschränkungen fiel es noch vielen Jüdinnen und Juden schwer, sich aus diesen Berufszweigen zu lösen und sich in neuen Betätigungsfeldern zu wagen, sodass sie oftmals erst zum Ende des 19. Jahrhunderts begannen, in anderen Branchen, wie zum Beispiel im juristischen- und medizinischen Bereich zu arbeiten.

Viersen

Zu Beginn der jüdischen Geschichte in Viersen lebten die hier niedergelassenen Jüdinnen und Juden hauptsächlich vom Handel und Gewerbe. Seit 1818 gab es in Viersen vier sogenannte patentfähige Juden (Männer mit bewilligten Gewerbepatenten). Fünf Jahre später waren es nur noch zwei. Einmal der mit Ellenwaren handelnde Jonas Leffmann, der bereits 1824 bankrott ging, und der Viehhändler Michael Cahen.

Während die Anzahl der in Viersen lebenden Jüdinnen und Juden wuchs, stieg auch ihr Anteil an der heimischen Wirtschaft. 1857 lassen sich für die Stadt bereits 25 selbstständige Jüdinnen und Juden nachweisen. Hiervon arbeiteten 18 Personen (72%) im Metzgerhandwerk. Das Metzgerhandwerk ging sehr oft mit dem Viehhandel einher. Zwei Juden gaben an, als Kaufleute zu arbeiten und jeweils ein Jude arbeitete als Lehrer, Anstreicher, Strumpfwirker (Strumpf- und Handschuherstellung), Essigbauer und Buchbinder. Vier Jüdinnen arbeiteten zu dieser Zeit als Putzmacherinnen.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erreichte keines der Einkommen der jüdischen Familien die Höhe des Einkommens von alteingesessenen (nichtjüdischen) Familien der Stadt. Jedoch gab es auch nur einen jüdischen Menschen, der an der Armutsgrenze lebte. Die Hälfte der Viersener Jüdinnen und Juden befanden sich im mittelständischen Einkommensbereich, zu dem insgesamt jedoch nur 9,6% von ganz Viersen gehörten, die meisten Bürgerinnen und Bürger waren eher Geringverdiener. Dies führte dazu, dass ein großer Teil der (nichtjüdischen) Bevölkerung die Jüdinnen und Juden der Stadt als „reich“ ansah, was aber faktisch nicht stimmte.

Kaum einer Jüdin oder einem Juden gelang es, an die wirtschaftliche Oberschicht der Stadt anzuschließen. Ende der 1880er Jahre ist dies nur dem Textilhändler Josef Weyl gelungen. Gegen Ende des Jahrhunderts kam die Familie Elkan, die eine Papierfabrik betrieb, hinzu.

Für die damalige Stadt Viersen sind 10 jüdische Geschäfte verzeichnet, die meisten im Textilhandel. Ausgenommen sind Metzger und Viehhändler, zu denen es keine Angabe zu eventuellen Geschäften gibt. Die Angabe eines jüdischen Bankgeschäftes ist nicht näher erläutert.

Papierfabrik Elkan

Aron Elkan kam zu Beginn der 1850er Jahre nach Viersen. In den folgenden Jahrzehnten betrieb er hier eine Buchbinderei und gründete 1861 eine Pappfabrik, die „Papier-u. Pappenf. A. Elkan“. Diese muss sich zunächst noch sehr klein und bescheiden vorgestellt werden. Das Firmengelände befand sich auf der Krefelder Straße 175.

Firma Elkan ca.1930
Ehemalige Papierfabrik Elkan ca. 1930
©Kreisarchiv Viersen

Die Familie Elkan schrieb entscheidend an dem Kapitel der Viersener Industriegeschichte mit. Ab 1896 begannen die Söhne Aron Elkans, Johannes und Peter, die die Firma mittlerweile übernommen hatten, mit der Produktion von Dachpappe. Dachpappe war zu diesem Zeitpunkt ein neues Produkt, was gut angenommen wurde und mit einem raschen Ausbau immer neuer Fabrikanlagen gute wirtschaftliche Aussichten versprach. Der bestrittene Weg brachte bereits wenige Jahre später große wirtschaftliche Erfolge mit sich und die Familie Elkan gelangte in die vorderste Reihe der Viersener Einkommensbezieher. 

Um 1900 beschäftigte die Familie Elkan in ihrer Fabrik 25 Arbeiter. Die Zahl stieg in den folgenden Jahren bis auf 42 Personen an. Mit einem Jahresgewinn von rund 150.000 Mark schafften es die Brüder Elkan immerhin auf den 12. Platz der am besten Verdienenden Geschäftsleute in Viersen. Johannes und Peter blieben nicht in Viersen, sie gingen nach Krefeld und Mönchengladbach.

Auch gesellschaftlich machte die Familie Elkan durch ihre großzügigen Spenden in Viersen, Krefeld und Mönchengladbach (5.000 – 10.000 Mark pro Spende) für Hilfsbedürftige – ohne Rücksicht auf die Konfession – von sich reden. Hierfür wurde eigens die „A. Elkan-Stiftung“ gegründet.

Während der Jahre des zweiten Weltkrieges wurde die Firma „arisiert“, das heißt die Firma wurde ihnen durch die nationalsozialistische Regierung zwangsweise enteignet, sie konnte jedoch in der Nachkriegszeit an den Erben der Familie Elkan zurückgegeben werden.

Im Jahre 1968 wurde eine Straße nach Familie Elkan benannt. Der bis heute bestehende „Elkanweg“ befindet sich in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Fabrikgeländes. 

Bis zum Jahr 2015 befand sich der Firmensitz des Papierherstellers Smurfit Kappa auf dem Fabrikgelände. Danach kam es zu einem längeren Leerstand des Geländes, bevor es durch die Firma Prangenberg & Zaum Immobilien erworben und unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes umgebaut wurde. Es wurden Räumlichkeiten für Firmen, sowie zu Wohnzwecken eingerichtet.

Im September 2018 zogen die ersten Mieter in die heute so genannte „alte Papierfabrik“ ein.

Heutige „Alte Papierfabrik“ ©Werner Stapelfeldt

Mode- und Textilhaus Katzenstein

Das Wohn- und Geschäftshaus auf der Hauptstraße 137/139 wurde 1903 durch die Firma Pongs und Zahn erbaut. Zunächst wurden die Räumlichkeiten an den jüdischen Kaufmann Carl Frohsinn vermietet. Da dieser bereits nach kurzer Zeit die Stadt verließ, wurde David Katzenstein der nachfolgende Mieter.

Im September 1907 eröffnete das Mode- und Textilhaus Katzenstein seine Pforten. Die Eröffnung seines Kaufhauses hatte David Katzenstein zuvor durch eine große Zeitungskampagne bekannt gemacht. 1911 eröffnete Katzenstein eine Zweigstelle auf der Clöratherstraße, wo er „Lappen, Restebestände und B-Ware“ verkaufte. 

1919 kaufte David Katzenstein, der ein Jahr zuvor der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Viersens geworden war, das Haus. Um sein Geschäft nun noch bekannter zu machen, mietete er Ausstellungsräume an der Ecke Heimbachstraße/Hauptstraße zusätzlich zu seinem Ladenlokal an.

Haupstraße 137-139 Haus Katzenstein ©Werner Stapelfeldt
Stolpersteine David und Sophie Katzenstein,
Haupstraße 137-139 ©Werner Stapelfeldt

Während der Novemberpogrome 1938 wurde das Mode- und Textilhaus Katzenstein verwüstet. Das Mobiliar und die Ware wurden vollständig zerstört. All das geschah, obwohl David Katzenstein bereits im Mai 1938 einen Mietvertrag über das Geschäft mit dem nichtjüdischen Trierer Fritz Jost abgeschlossen hatte. Jost hatte das gesamte Warenlager der Firma gekauft und ihm wurde ein Vorkaufsrecht auf das Haus eingeräumt. David Katzenstein wurde im Gefängnis in Anrath inhaftiert und kam erst nach neun Tagen am 19. November 1938 aus der Haft frei.

David Katzenstein emigrierte kurze Zeit später mit seiner Frau Sophie nach Israel. Zum Verwalter seines Eigentums in Deutschland ernannte er den Bankdirektor August Peters. Dieser wurde bereits kurze Zeit nach Katzensteins Emigration mit dem Verkauf des Hauses an Fritz Jost beauftragt. Der Verkaufsvertrag wurde 1941 abgeschlossen, wurde jedoch durch den zuständigen Reichskommissar abgelehnt. Das Deutsche Reich wurde Eigentümer des Hauses. Fritz Jost konnte es vom Deutschen Reich 1942 für 60.000 RM erwerben.

David Katzenstein verstarb 1948 in Israel, seine Frau kehrte 1950 nach Deutschland zurück. Fritz Jost war während eines Bombenangriffes zu Beginn 1945 gestorben. Seine Frau Anny und der gemeinsame Sohn Franz waren seine Erben. Sophie Katzenstein einigte sich mit Anny Jost außergerichtlich und das Haus ging bereits 1948 wieder in den Besitz der Familie Katzenstein über. Mit Anny Jost schloss sie einen Mietvertrag für ihr Textilgeschäft ab. Dieses wurde Ende Januar 1970 geschlossen. Danach zog die Spielzeugwarenfirma Seidel, gefolgt von einer Schlecker-Filiale in das Gebäude. Heute befinden sich hier Räumlichkeiten der Sparda Bank. 

Der Enkel David Katzensteins, Gerd Voremberg, verkaufte das Haus im Jahr 2016. Der Schriftzug „Haus Katzenstein“ wurde bei der Renovierung der Fassade berücksichtig und ist bis heute erhalten.

Textilgeschäft N.Lifges

Mitten in der Viersener Innenstand, auf der Hochstraße, hatten die Brüder Nathan und Jacob Lifges ihr „Textilgeschäft N.Lifges“. Die Ladenräume befanden sich im unteren Stockwerk, die Familie lebte in den oberen.

Hochstraße 39 ©Werner Stapelfeldt

Um 1900 gaben die Brüder Lifges ihre bis dahin bestehende Metzgerei auf und siedelten in den Textilhandel um. Auf diesem Gebiet erwiesen sie sich als wirtschaftlich sehr erfolgreich. So konnte er z.B. im Dezember 1916 für den Fond der Süchtelner Kriegshinterbliebenen 500 RM spenden. Nach dem Tod Nathan Lifges 1902 übernahm Jacob Lifges das Geschäft alleine.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft hatte der Textilhandel wiederholt Probleme mit angeschmierten antisemitischen Parolen. 1942, nach der Deportation der letzten Familienangehörigen, wurde das Geschäft durch den Süchtelner Unternehmer Tendyck weitergeführt, der hier bis 1952 ebenfalls einen Textilhandel betrieb.

1952 wurde das Haus an die Tochter von Jakob Lifges zurückgegeben. Ihr Mann, Kurt Wollstein eröffnete hier wieder das „Textilhaus Lifges“. Die Familie lebte noch bis in die 1980er Jahre in dem Haus, bis sie dieses schließlich verkaufte.

Heute befindet sich in den Geschäftsräumen eine Filiale der Kette „Ernstings family“.

Mönchengladbach

Seit etwa 1850 befand sich die Stadt Mönchengladbach in einem wirtschaftlichen Aufschwung. Gladbach war schon lange eine Textilstadt und war auch schon längst von der Leinen- zur Baumwollherstellung übergegangen. Doch jetzt bewirkten die ersten aus England kommenden Dampfmaschinen eine langsame aber stetige Umstellung der Textilherstellungsvorgänge. In den folgenden 50 Jahren erwarb sich die Stadt den Ruf eines „rheinischen Manchesters“.

Auch die städtischen Jüdinnen und Juden waren ein Teil dieses wirtschaftlichen Aufschwunges. So gab es im Jahre 1865 bereits 13 Textilgeschäfte im jüdischen Besitz. In den folgenden Jahren kam es vermehrt zu Geschäfts- und Betriebsgründungen. Fast alle jüdischen Unternehmen wurden jedoch nicht von gebürtigen Gladbacher Jüdinnen und Juden gegründet, sondern durch zugewanderte Jüdinnen und Juden.

Manufaktur- und Modewarenhandlung Lennhoff

So kam 1867 Josef Lennhoff nach Gladbach. An der ehemaligen Krefelder Straße 47, der heutigen Hindenburgstraße eröffnete er ein Jahr später seine neu gegründete Manufaktur- und Modewarenhandlung. Lennhoff inserierte viel in der Gladbacher Tageszeitung. Beispielsweise wenn er auf auswärtigen Modemessen neue Ware erworben hatte, aber auch, wenn er an (hohen) jüdischen Feiertagen sein Ladengeschäft geschlossen ließ. Dies scheint seinem Geschäft wirtschaftlich jedoch keinen Abbruch getan zu haben, denn 1878 wurde Josef Lennhoff, gemeinsam mit Jonas Benjamin Jonas und Alexander Cohnen, zum Synagogenvorsteher gewählt. Ein Amt, das damals noch den wirtschaftlich besser gestellten Männern vorbehalten war. 1888 verließ Josef Lennhoff Mönchengladbach bereits wieder, die Gründe hierfür sind heute nicht mehr genau nachvollziehbar. In den Geschäftsräumen führte Karl von Nordeck nun eine „Mode-, Galantarie-, Kurz-, Glas-, Porzellan- und Spielwarenhandlung“. Dies kann als ein Beleg für die Größe des Geschäftslokals gewertet werden.

Manufakturwarenhandlung Bellerstein

Nur ein Jahr nach Josef Lennhoff kam der damals 23-jährige Salomon Bellerstein nach Mönchengladbach. Zunächst arbeitete er hier als Commis, doch bereits am 01. Oktober 1869 machte er sich selbstständig und gründete seine eigene Manufakturwarenhandlung. Seine Geschäftsräume bezog er in der ehemaligen Krefelder Straße 51. Er befand sich demnach in direkter Nachbarschaft zum Ladenlokal Jonas Leffmanns und machte ihm somit Konkurrenz. Das Modehaus Bellerstein wurde schnell zu einem der größten seiner Art in Gladbach. 1888 wurden hier neben christlichen auch 20 jüdische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Es ist möglich, dass der wirtschaftliche Erfolg Bellerstein ein Grund für die Geschäftsaufgabe Josef Leffmanns war. Nach dem Tod Salomon Bellersteins in Gladbach im August 1917 blieb das Unternehmen im Familienbesitz. In den 1930er Jahren wurde der Betrieb „arisiert“. 

Lederhandlung A. & J.B. Jonas

Lüpertzender Straße ©Werner Stapelfeldt

In etwa zur gleichen Zeit wie Lennhoff und Bellerstein kam Jonas Benjamin Jonas, Vorfahre des Philosophen und Friedenspreisträgers Hans Jonas, in die Stadt. Gemeinsam mit seinem Bruder Abraham Jonas gründete er am 01.11.1869 die Lederhandlung „A. & J.B. Jonas“, die auf der Lüpertzender Straße 71 ihre Geschäftsräume bezog. Im Januar 1878 schied Abraham Jonas aus dem gemeinsamen Unternehmen aus, der Geschäftsname änderte sich jedoch nicht. Kurze Zeit später wurde der Lederhandlung eine Schäftefabrik angegliedert. Obwohl das Geschäft bis in das 20. Jahrhundert bestand, zog Jonas Benjamin Jonas sich schon frühzeitig aus dem Geschäft zurück und widmete sich ehrenamtlichen Funktionen. Er spielte in Gladbach nicht nur im innerjüdischen, sondern auch im bürgerlichen Gemeindeleben eine wichtige Rolle. Er bekleidete nicht nur über 50 Jahre lang das Amt eines Vorstandsmitgliedes der Synagogengemeinde, sondern war auch über 25 Jahre lang Stadtverordneter.

Nicht nur Jonas Benjamin Jonas war eine wichtige Persönlichkeit für die Stadt Mönchengladbach, sondern die gesamte Familie Jonas spielte eine wichtige Rolle im innerjüdischen und bürgerlichen Gemeindeleben. Auch der weltbekannte Philosoph Hans Jonas stammt aus dieser Familie ab. Er selbst wurde 1903 in Mönchengladbach geboren und wanderte bereits im September 1933 aus. Er studierte u.a. bei Martin Heidegger und war Träger zahlreicher Preise, darunter der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Große Bundesverdienstkreuz. Zusätzlich wurde ihm die Ehrenbürgerschaft der Stadt Mönchengladbach verliehen.

Auch mit der Jahrhundertwende endete der wirtschaftliche (jüdische) Aufschwung in der Stadt Gladbach nicht. An Bedeutung gewannen nur Handelsgeschäfte, die sich durch eine große Auswahl ihrer Ware auszeichneten: Die Kaufhäuser. „(Galeria) Kaufhof“ ist heute Jedem ein Begriff. Weniger bekannt ist hingegen, dass die ursprünglichen Kaufhäuser auf die Initiative jüdischer Kaufleute zurückgehen. 

Warenhaus Abraham

Adolf Abraham und sein Bruder Julius arbeiteten gegen Ende des 19. Jahrhunderts in der Bonner Filiale des ebenfalls jüdischen Kaufhauskonzerns von Leonhard Tietz. 1901 verließen die Brüder diese Filiale und eröffneten in gemieteten Räumen auf der Hauptstraße 59 in Rheydt ihr eigenes Warenhaus. Kurze Zeit später dehnten die Brüder ihr Unternehmen aus und bezogen zusätzlich Räume an der ehemaligen Krefelder Straße 61 und 65 in Mönchengladbach. Da die Geschäfte so stark florierten, wurde 1905/1906 durch den bekannten Warenhaus-Architekten Otto Engler ein repräsentativer Bau auf der heutigen Hindenburgstraße 125 erbaut. Es handelt sich um den heutigen Standort einer Galeria Kaufhof Filiale. Galeria Kaufhof war im Zuge der „Arisierung“ aus dem Leonhard-Tietz-Kaufhauskonzerns hervorgegangen.

Doch nicht nur im Bereich des (Textil-)Handels trug die jüdische Bevölkerung zum wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt mit bei. Auch im Bereich der Produktion, insbesondere der Textilproduktion, kam es zu zahlreichen Neugründungen. Bei anderen Produktionsbereichen waren jüdische Unternehmen allerdings so gut wie gar nicht vertreten. 

Gemischte Stuhlwarenfabrik A. Gotthelf & Cie

Die Geschichte jüdischer Textilunternehmer in Gladbach beginnt mit Abraham Gotthelf. Er war spätestens 1855 in die Stadt gekommen. Seine „gemischte Stuhlwarenfabrik“ befand sich auf der heutigen Kapuzinerstraße 1. Der Firmenname „A. Gotthelf & Cie“ lässt darauf schließen, dass Gotthelf einen Teilhaber hatte, der heute nicht mehr bekannt ist. Es handelte sich um einen Handbetrieb und es ist nicht sicher, ob alle Handstühle (Weberstühle, die händisch, nicht maschinell betriebene wurden) in dem großen Betriebsgebäude zusammenstanden. Dennoch muss der Betrieb sehr gut floriert haben, denn Abraham Gotthelf befand sich in den Jahren 1869-1873 an der Spitze aller steuerzahlender Jüdinnen und Juden in Gladbach. Bereits 1868 hatte Gotthelf seinem Handlungs-Commis Benedikt Cahn Prokura für seine Firma erteilt. Zwischen 1875 und 1878 gibt Gotthelf seinen Betrieb in Gladbach auf und setzt sich in Köln zur Ruhe.

Während es von 1885 bis 1893 zu keiner einzigen Neugründung eines jüdischen Unternehmens im Bereich der Produktion kam, begann 1893 ein regelrechter Boom. Bis ins Jahr 1904 ist in jedem Jahr eine Neugründung belegt. Diese stürmische Entwicklung setzte sich ab 1909 wieder fort und wurde dann 1914-1918 wieder zum Erliegen gebracht. Vermutlich stehen diese starken Anstiege im direkten Zusammenhang mit Migrationsbewegungen. In dieser Zeit waren durch den ersten Weltkrieg nur noch wenige Bürger im Land und es gab keine Rohstoffe.

Die jüdischen Unternehmen prägten Gladbach ebenso mit, wie die nichtjüdischen. Die Vielzahl von jüdischen textilindustriellen Gründungen ist hoch und steht in keinem Verhältnis zu dem geringen Bevölkerungsanteil. Eine Spezialisierung der Unternehmen auf einen bestimmten Textilbereich gab es nicht. Die Fabriken wurden alle durch zugezogene Juden gegründet. Die alteingesessenen jüdischen Familien übten noch lange Zeit ihre alten Berufe wie Metzger oder Viehhändler aus.

Gebrüder Aschaffenburg

Ein Beispiel für ein jüdisches Produktionsunternehmen aus dieser Zeit ist die Firma „Gebrüder Aschaffenburg“. Otto und Hermann Aschaffenburg, die beide keine gebürtigen Gladbacher waren, begannen im Jahr 1897 mit 20 mechanischen Webstühlen. Ihre Weberei befand sich zunächst in gemieteten Räumen der (nichtjüdischen) Färberei „Simons & Gier“ auf der heutigen Künkelerstraße 37. Simons & Gier verarbeiteten die von ihren Mietern gefertigte Webware direkt weiter.

1912 war die Weberei bereits so gut im Wirtschaftsleben der Stadt integriert, dass die Brüder Aschaffenburg auf der Sachsenstraße 30 eigene Betriebsgebäude erbauten. Während des ersten Weltkrieges wurde der Betrieb nicht stillgelegt. Aus Rohstoffmangel wurden zeitweise Papiergarne hergestellt. Otto und Hermann Aschaffenburg kümmerten sich stets um die (sozialen) Belange ihrer Arbeitnehmenden. So stellten sie während des ersten Weltkrieges beispielsweise Margarine und Seife (Produkte, die teuer geworden waren) zur Verfügung. Nach dem ersten Weltkrieg stieg das nun als „Tuchfabrik Gebrüder Aschaffenburg“ bezeichnete Unternehmen bis etwa ins Jahr 1923 zur führenden Weberei in ganz Mönchengladbach auf. Durch die Umstellung von Baumwolle über Halbkammgarnartikel auf eine höhere Qualität durch reine Kammgarnstoffe bei der Tuchherstellung, hatte das Unternehmen große Erfolge erzielt. Es war der erste Betrieb in der Stadt, der die mechanischen Webstühle mit riemenlosem Einzelantrieb (über Zahnräder) versah. Diese bahnbrechende Neuheit wurde sehr bald von anderen Textilbetrieben übernommen. Im Jahr 1923 wurden insgesamt 204 Webstühle betrieben und 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Im Kriegsjahr 1917 waren es 174 Webstühle.

Zu Beginn der 1920er Jahre, der Blütezeit des Unternehmens, wurde eine Zweigniederlassung in Budapest errichtet. Kurze Zeit später geriet das Unternehmen in vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten. Die Firma schloss sich überörtlich in einer Auffanggesellschaft zu einer Interessensgemeinschaft zusammen, die unter dem Namen „TOGA“ von Berlin aus gesteuert wurde. Die zusammengeschlossenen Unternehmen behielten ihre Eigenständigkeit.

1929 wurde der Familienbetrieb an die (nichtjüdischen) Brüder Lahusen aus Bremen verkauft. Diese gerieten jedoch in finanzielle Schwierigkeiten und die Tuchfabrik wurde für einige Zeit stillgelegt, ehe sie am 31.Dezember 1937 von einer Kommanditgesellschaft übernommen wurde. Von dieser Kommanditgesellschaft hatten die Familie Reifenberg aus Köln, sowie Willy Schmitz aus Viersen jeweils Kommanditanteile, Heinrich Thomas aus Mönchengladbach war der persönlich haftende Gesellschafter. Die Tuchfabrik behielt zunächst ihren Namen, bis sie am 24.Juni 1938 durch Willy Schmitz als alleinigen Inhaber übernommen wurde und dieser den Firmennamen am 22. Juli 1941 in „Tuchfabrik Willy Schmitz in Mönchengladbach“ änderte. Die Firma existiert bis heute und auch das Firmengelände befindet sich noch in Mönchengladbach auf der Sachsenstraße.

„Tuchfabrik Willy Schmitz Mönchengladbach“ heute ©Werner Stapelfeldt

Ein völlig anderes Bild bietet der wirtschaftliche Zweig des Handwerkes. Zwar stammten auch fast alle im Handwerk arbeitenden Jüdinnen und Juden gebürtig nicht aus Gladbach, doch hielt sich ihre Anzahl, insbesondere im Vergleich zu den althergebrachten Berufen, in Grenzen. 1869 gab es in der Stadt lediglich drei jüdische Handwerker. Handwerksberufe blieben unter Jüdinnen und Juden eine absolute Ausnahme. Eine weitere Sonderstellung nahm unter der jüdischen Bevölkerung der Beruf eines (Gast-)Wirtes ein. 1898 ist von 195 Wirten aus Gladbach kein einziger jüdisch. 

Insbesondere der jüdische Mittelstand der Stadt Gladbach lebte weiterhin von den früher üblichen Berufen. Beispielsweise waren 1888 von 73 Metzgern der Stadt zehn Juden. Der Pferdehandel und die Pferdemetzgerei wurden sogar ausschließlich von jüdischen Bürgern betrieben.

Mit dem beginnenden 20. Jahrhunderts nahm der Textilhandel eine wichtige Position im jüdischen Wirtschaftsleben ein. Viele Jüdinnen und Juden arbeiteten als Kommissionär, als gewerbliche Handelsvertreter oder übernahmen die Stellvertretung für Produktionsfirmen. Sie fungierten als Bindeglied zwischen der Produktion und dem verkaufenden Einzelhandel. 

Eine weitere wirtschaftliche Sonderstellung nahmen die Möbelgeschäfte ein. Insgesamt drei jüdische Familien besaßen bis zur Zeit des Nationalsozialismus unterschiedlich große Möbelgeschäfte in der Stadt. Das älteste Möbelgeschäft Gladbachs gehörte Bernhard Arronge unter dem Namen „Central-Möbelhaus Bernhard Arronge“. Es befand sich auf der Lüpertzender Straße 121. 

Auch heute noch lassen sich viele Spuren des jüdischen Wirtschaftslebens in der Stadt Mönchengladbach finden. Zahlreiche, ursprünglich durch jüdische Geschäftsleute gegründete, Firmen und Betriebe gibt es immer noch.

Krefeld

Kurz vor der in Deutschland einsetzenden Hochkonjunktur um das Jahr 1850 hatte es in der Berufsstruktur der Krefelder Jüdinnen und Juden noch kaum Veränderungen gegeben. Noch immer waren die meisten Juden und Jüdinnen als Metzger, Trödler und Geldverleiher tätig. Lediglich eine kleine Schicht von Großkaufleuten bildeten die soziale Spitze der jüdischen Bevölkerung: die Familien Frank, Herzog, Hertz und Meyer. 
Die Patentliste von 1844 führt unter 52 Anträgen insgesamt 28 Metzger, fünf Trödler, drei Seidenfabrikanten, zwei Destillateure, zwei Viehhändler, zwei Kaufleute und jeweils einen Manufakturwarenhändler, Sayetfabrikanten, Krämer, Blechschmied, Lichterzieher, Stahl- und Messingwarenhändler. Hinzu kam ein Metzger, der gleichzeitig auch Viehhändler war, eine Jüdin war Gastwirtin und Metzgerin, ein Krämer war gleichzeitig auch ein Metzger und ein Seidenfabrikant war zusätzlich ein Lotterieeinnehmer. 

Die Stadt Krefeld konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf eine lange Tradition in der Textilbranche zurückblicken. Der Textilhandel und die Fabrikation wurden ein besonders günstiges Hauptbetätigungsfeld für jüngere, meist zugewanderte Jüdinnen und Juden. So stieg die Zahl der Seidenfabrikanten von vier 1844 bereits 1872 zu sieben Seidenfabrikanten und sechs Seidenwarenhändlern an.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen viele junge (jüdische) Existenzgründer in die Stadt. Es bildete sich dadurch ein wohlhabendes jüdisches Bürgertum heraus. Dass dies ausgerechnet in Krefeld der Fall war, ist sicher kein Zufall: Krefeld gehörte zum damaligen Zeitpunkt zu einer der reichsten Städte Deutschlands und zeichnete sich durch eine verstärkte wohlhabende Bevölkerungsschicht durch alle Konfessionen aus. Von den 1882 bis 1892 neu gegründeten Personengesellschaften waren rund 6% durch jüdische Familien gegründet worden. Sie lebten fast alle zum Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft 1933 noch in der Stadt.

Gebrüder Kamp

Ein Beispiel für einen der jungen zugezogenen Existenzgründern ist Alexander Kamp. Er kam kurz nach der Erbauung der Synagoge auf der Marktstraße Ecke Petersstraße in die Stadt und baute mit seinem Bruder Adolf sein Unternehmen auf der Petersstraße auf. Sie verkauften Häute und Därme für Metzgereien. Ende der 1870er Jahre zog er und sein Geschäft in das erworbene und größere Haus auf der Petersstraße 51-53. Alexander Kamp setzte sich 1896 zur Ruhe. Seine Söhne übernahmen sein Geschäft und gründeten die Firma „Gebrüder Kamp“. Sie handelten mit Gewürzen, Häuten und Därmen zur Herstellung von Wurstwaren, boten aber auch Maschinen und Gerätschaften zur Ladeneinrichtung für Metzgereien an. Ihre Kundschaft kam aus dem gesamten Niederrhein und Westfalen. Die Brüder stiegen zu den führenden Anbietern ihrer Branche auf. Diese marktführende Stellung bewahrte das Unternehmen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme zunächst vor Boykotten, sodass das Geschäft zunächst lukrativ und die Gewinne ansehnlich blieben. Mitte des Jahres 1938 entschloss die Familie Kamp sich angesichts des Drucks durch die Nationalsozialisten zum Verkauf ihrer Firma und stellten im Oktober des gleichen Jahres ihre Gewerbetätigkeit ein. Die Firma war ein zwei Investoren aus Düsseldorf verkauft worden, doch zumindest formell bestanden noch die Anteile von Paul und Adolf Kamp weiter. Die Ersterwerber verkauften das Geschäft und die Immobilie 1942/43 weiter an den Siegburger Kaufmann Heinrich Bauer. 

Jüdische Kaufleute in Krefeld waren insbesondere in der Seiden- und Krawattenbranche erfolgreich und für Qualität bekannt. Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es eine Vielzahl jüdischer Geschäfte im Stadtzentrum Krefelds. Es handelt sich fast ausschließlich um Firmenneugründungen. Die hohe Zahl der jüdischen Geschäfte im Stadtzentrum sagt jedoch nicht zwangsläufig etwas über ihre Bedeutung im Einzelhandel aus. Eine dominierende Stellung für jüdische Firmen gab es lediglich im Seidenhandel, nicht aber in der Produktion. 

Überproportional viele Krefelder Jüdinnen und Juden arbeiteten lediglich im Textilhandel, als Ärzte und Rechtsanwälte und im Viehhandel.

Merländer, Strauß und Co.

1904 wurde die Seiden- und Samtwarengroßhandlung „Merländer, Strauß & Co“ durch Richard Merländer, Hermann Heymann und Siegfried Strauß gegründet. Die Familie Heymanns lebte zu dieser Zeit seit fast 300 Jahren in Krefeld. 
Seit den 1920er Jahren hatte die Firma ihre Geschäftsräume im dritten Stockwerk im sogenannten „Sinn-Haus“ auf der Neusser Straße. Das Sinn-Haus war das erste Warenhaus Krefelds und wurde 1906 durch Otto Engler designt. 

„Sinn-Haus“ ©Werner Stapelfeldt
„Sinn-Haus“ ©Werner Stapelfeldt

„Merländer, Strauß & Co“ florierte und beschäftigte zwischen 40 und 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mitte 1935 lag der Jahresumsatz noch bei 3 Mio RM und der Gewinn bei 150 000 RM. Treibende Kraft bei der „Arisierung“ des Unternehmens spielte Heinrich Baumeister, der zuvor als Prokurist im Unternehmen gearbeitet hatte. Die Firma ging am 15.Oktober 1938 in seinen Besitz über. Als einziger der Firmengründer überlebte Hermann Heymann, der unmittelbar nach den Novemberpogromen in die Niederlande geflohen war. Ihm war es gelungen, wichtige Firmendokumente aufzuheben, um einen Entschädigungsprozess gegen Heinrich Baumeister zu gewinnen.

Im Jahr 1914 gehörten von 113 Firmen in Krefeld (Seidengroßhandel und -export, Krawattenproduktion) 39 jüdischen Besitzern. Es befanden sich aber auch noch viele Jüdinnen und Juden in ihren alten angestammten Berufen. Von 228 Metzgern, die es 1914 gab, waren 22 Juden. 

Leonhard Tietz AG

Im August 1879 eröffnete der jüdische Textilhändler Leonhard Tietz in Stralsund ein gerade mal 25m² großes Textilgeschäft. Hieraus sollte in den kommenden Jahrzehnten die große und angesehene Warenhauskette „Leonhard Tietz AG“ entstehen. Der größte Warenhauskonzern Deutschland war auch ab 1904 in Krefeld an der Friedrichstraße Ecke St. Anton Straße. Mit 43 Standorten in ganz Deutschland beschäftigte das jüdische Unternehmen rund 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Bereits im März 1933 wurden die jüdischen Vorstandsmitglieder des Konzerns unter Drohungen zur Niederlage ihrer Ämter gezwungen. Ihre Aktien mussten sie weit unter Wert verkaufen. Hauptaktionäre hierbei waren die Commerzbank, Dresdener Bank und Deutsche Bank. Diese nannten das Unternehmen im Juni 1933 in „Westdeutsche Kaufhaus AG“ um. Zur gleichen Zeit wurde der jüdische Geschäftsführer der Krefelder Filiale, Julius Nassau, entlassen. 

Kartonagenfabrik E. & O. Meyer

1898 wurde die Firma „Markus Meyer Kartonfabrik Krefeld“ als Buchdruckerei, Papier- und Pappengroßhandlung durch Markus Meyer in das hiesige Handelsregister eingetragen. Im Laufe der Jahre wurde es zum bedeutendsten Familienunternehmen in seiner Branche im weiten Umkreis der Stadt. 1927 entstand an der heutigen Philadelphiastraße 146-150 ein großer Neubau für das Unternehmen. Hier waren auch Wohnungen für Angestellte untergebracht. Das Gebäude steht heute noch. 

Trotz der nationalsozialistischen Machtübernahme im Januar 1933 stiegen die Gewinne des Unternehmens weiter an. Seit November 1936 hieß das Unternehmen nun mehr „E. & O. Meyer Kommanditgesellschaft“ und es wurde zusätzlich zu der Herstellung von Vollpappe auch mit der Herstellung von Wellpappe begonnen. Obwohl der geschäftliche Erfolg anhielt, planten die Erben Markus Meyers, Ernst und Otto Meyer, ihre Auswanderung und beschlossen 1937 in die USA zu emigrieren. Im Zuge dieses Entschlusses unternahm Ernst Meyer eine Reise in die USA. Nach seiner Rückkehr traten er und sein Bruder Ernst an Interessenten für ihr Unternehmen heran. Eine Reihe von Kaufverträgen wurde behördlich nicht genehmigt, sodass die Brüder Meyer schließlich an Fritz Peters herantraten. Der Verkaufsvertrag wurde im September 1938 abgeschlossen. Im Oktober desselben Jahres wurde das Unternehmen zur „Wellpapen- & Kartonagenfabrik Fritz Peters & Co“.

Fritz Peters begann sofort damit, das Unternehmen weiter auszubauen. Da die neu angeschafften Maschinenanlagen nicht im Unternehmensgebäude aufgestellt werden konnten, suchte er ab April 1939 ein größeres Fabrikanwesen. Zu diesem Zweck besichtigte er das Fabrikgelände an der Virchowstraße 130, das Heedersche Fabrikanwesen. Fritz Peters erwarb im November 1939 den kompletten noch zum Verkauf stehenden Teil der gesamten Heeder & Co, inklusive des 1906 errichteten Hauptgebäudes. 

Das 1898 durch Markus Meyer ins Handelsregister eingetragene Unternehmen (zu dem Zeitpunkt noch 20 Jahre) ist Ursprung der heutigen Wellkistenfabrik Fritz Peters GmbH & Co in Moers Kapellen; das Unternehmen wurde damals zum bedeutendsten im weiten Umkreis in seiner Branche¸ 

Heeder & Co

Fabrik Heeder ©Sandra Franz

Bereits 1860 hatten Franz-August Heeder und sein Neffe Wilhelm Niemann eine Tapeten- und Wachstuchfabrik gegründet. Die Geschäftsadresse war der Bäkerpfad 1, die heutige Virchowstraße 130. Im Jahr 1882 trat der jüdische Kaufmann David Devries als Mitgesellschafter in das Unternehmen mit ein. Dieses wurde bereits 1888 wieder aufgelöst, jedoch nur ein Jahr später durch Devries am gleichen Standort neu gegründet. Auch den ursprünglichen Firmennamen „Heeder & Co“ behielt Devries bei.

Nach dem Tod David Devries im Jahr 1912 wurde das Unternehmen durch seinen Sohn Karl geführt. Die Firma florierte in den 1920er Jahren stark. 1928 wurde das Unternehmen durch Karls Sohn Kurt übernommen. Dieser Wechsel in der Unternehmensführung, zusammen mit der Weltwirtschaftskrise, führte zu starken Umsatzeinbußen. Ein Umstand der sich bis zur Liquidierung des Unternehmens im Jahr 1938 nicht mehr bessern sollte. 

Fast das vollständige Fabrikgelände wurde durch Fritz Peters gekauft, der zuvor die wichtigste Wellpappen- und Papierfabrik, die jüdische Firma „E. & O. Meyer“ erworben hatte. Fritz Peters erweiterte das Fabrikgelände in östliche Richtung und produzierte bis in die 1970er Jahre an diesem Standort. In den 1980er Jahren wurde das Fabrikgebäude durch die Stadt Krefeld zum Kulturzentrum umgebaut. Heute findet sich hier u.a. das Kresch Kinder- und Jugendtheater.

Schuhhaus Hirsch

Das Schuhhaus Hirsch wurde noch vor dem ersten Weltkrieg von Moritz Hirsch gegründet und befand sich ursprünglich im eigenen Haus der Familie auf der Hochstraße 50. Als Moritz Hirsch 1927 verstarb, brauchte seine Witwe Meta Hirsch zur Weiterführung des Geschäftes die Unterstützung des gemeinsamen Sohnes Rudolf Hirsch. Dieser war zu diesem Zeitpunkt erst 20 Jahre alt. Er verlegte die Geschäftsräume in ein angemietetes Ladenlokal auf der Hochstraße 130. Noch während der Weltwirtschaftskrise ging das Schuhgeschäft auf Expansionskurs und beschäftigte 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dennoch hatte die Firma mit Umsatzverlusten zu kämpfen. Direkt nach der nationalsozialistischen Machtübernahme wurde das Geschäft zum Ziel gewalttätiger Attentate. Grund war, dass Rudolf Hirsch nicht nur Jude, sondern auch Mitglied der KPD war. Rudolf Hirsch floh kurze Zeit später aus Deutschland. Um ihm eine finanzielle Lebensgrundlage zu verschaffen, verkaufte Meta Hirsch das Geschäft bereits im Mai 1933 zu für sie ungünstigen Konditionen an den Schuhhändler Gustav Grüterich und seiner Geschäftspartnerin Klara Klauser. Das Schuhhaus Hirsch war eines der ersten „arisierten“ Geschäfte in Krefeld. Das Schuhgeschäft Grüterich existiert bis heute in den ehemaligen Geschäftsräumen der Familie Hirsch.

Ehem. Schuhaus Hirsch, heute Grüterich ©Werner Stapelfeldt
Zum Seitenanfang springen