Niederrhein

Die deutsch-jüdische Geschichte reicht bereits viele Jahrhunderte zurück. Das älteste bekannte Dokument, das das Bestehen einer jüdischen Gemeinde in Deutschland nachweist, stammt aus Köln aus dem Jahre 321.

Die jüdische Geschichte am Niederrhein erstreckt sich, wie hier exemplarisch an den Städten Krefeld, Mönchengladbach und Viersen dargestellt, bis in das 14. Jahrhundert. Die Quellen der vergangenen Jahrhunderte berichten vom jüdischen Weg zur Gleichberechtigung, von Assimilation und Emanzipation der jüdischen Bevölkerung. Gleichzeitig berichten sie auch von Diskriminierung und Verfolgung.

Die deutsch-jüdische Bevölkerung hatte einen prägenden Einfluss auf die jeweilige Geschichte ihrer Stadt. Den jüdischen Gemeinden entstammten viele gesellschaftlich anerkannte Persönlichkeiten. Jüdinnen und Juden waren an den wirtschaftlichen Erfolgen der Städte unmittelbar beteiligt und durch den Bau von beispielsweise Synagogen prägten sie das architektonische Stadtbild mit.

Ließen sich die ersten jüdischen Familien schon im 14. Jahrhundert hier nieder, so wurden sie während der Pestpogrome 1348-1351 bereits wieder vertrieben und verfolgt. Für mehrere Jahrzehnte, teilweise sogar Jahrhunderte fehlen nun die Belege für die Anwesenheit von Jüdinnen und Juden in den Städten Krefeld, Viersen und Mönchengladbach. Eine erneute Niederlassung war für Jüdinnen und Juden mit Repressalien und hohen Abgaben an die jeweilige Herrschaft verbunden. Ab ca. 1600 war die Erteilung von Schutzbriefen für die sogenannten „Hofjuden“ ein guter Nebenverdienst für einige Herrscher. Neben den üblichen Steuern mussten Jüdinnen und Juden zusätzliche Abgaben zahlen, beispielsweise für Taufen und Begräbnisse, fürs Wohnen oder für die Ernennung eines Rabbiners, also für ganz „normale“ Sachen.

Die Französische Revolution und darauffolgende französische Besatzung des linken Rheinlandes im Oktober 1798 änderte für die jüdische Bevölkerung einiges. Nach französischem Vorbild wurde 1798 die Verwaltung des Gebietes neu geordnet, indem insgesamt vier Dèpartements gebildet wurden. Die französische Herrschaft brachte der jüdischen Bevölkerung erstmals die (theoretische) Gleichberechtigung. Wie schon in Frankreich wurden Konsistorien, Synagogengemeinden mit einem überregionalen Einzugsbereich, errichtet. Sie befanden sich in Koblenz, Krefeld, Trier und Mainz. Dass es sich nur um eine theoretische Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung handelte zeigt das napoleonische Dekret aus dem Jahre 1808, das auch als das „schändliche Dekret“ (décret infâme) bezeichnet wird. Das Dekret schrenkte die freie Erwerbstätigkeit der Jüdinnen und Juden ein. Es setzte für wesentliche Bürgerrechte außer Kraft und zwang die jüdischen Bürgerinnen und Bürger zur Annahme fester Familienname. Das Dekret, welches ursprünglich eine Laufzeit von zehn Jahren vorsah behielt auch nach dem Übergang des linken Rheinlandes an Preußen 1815 und der Errichtung der Rheinprovinz 1822 seine Gültigkeit.

Diese diskriminierende Sondergesetzgebung wurde erst am 13. Juli 1843 durch den 7. Rheinischen Provinziallandtag aufgehoben, sodass der jüdischen Bevölkerung der Rheinprovinz nun die völlige staatsbürgerliche und politische Gleichstellung gewährt werden sollte.

Die faktische Gleichstellung jüdischer Bürgerinnen und Bürger mit ihren Mitmenschen sollte kein Jahrhundert lang anhalten. Durch die nationalsozialistische Machübernahme 1933 begann die erneute Beschneidung der Rechte der jüdischen Bevölkerung. Die diskriminierenden Gesetzgebungen, Verfolgungen und der antisemitischer Terror des Regimes, die das Ziel der vollständigen Auslöschung europäischer Jüdinnen und Juden verfolgte, gipfelten im Holocaust.

Die deutsch-jüdische Geschichte nach 1945 ist geprägt durch einen Neu- und Wiederaufbau. In vielen Städten bildeten sich dennoch keine eigenständigen jüdischen Gemeinden mehr. Einen Aufschwung erfuhr das deutsch-jüdische Leben in den 1990er Jahren, als die sogenannten „jüdischen Kontingentflüchtlinge“ aus der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kamen. Bis 2005 kamen ca. 19 000 Jüdinnen und Juden nach Deutschland. Diese Jüdinnen und Juden „retteten“ vieler Orts das institutionalisierte jüdische Leben und gaben den Gemeinden neuen Aufschwung.

Heute bestehen in Krefeld und Mönchengladbach eigenständige jüdische Gemeinden, mit einem sehr regen Gemeindeleben. In Viersen bildete sich keine eigenständige jüdische Gemeinde mehr.

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